Diese Woche hat uns der Artikel der FAZ Was wir von Chile lernen können überrascht. Eine starke Überschrift! Es ist selten, dass eine deutsche Zeitung zugibt, dass ein anderes Land – vor allem ein fernes Land – etwas richtig macht.
“Im globalen Impf-Ranking belegt das südamerikanische Land aktuell Platz fünf. Seit Anfang Februar hat Chile schon etwa drei seiner 19 Millionen Einwohner, also etwa 16 Prozent der Bevölkerung, ein Mal geimpft. Und das Land drückt weiter mächtig aufs Tempo. Noch im ersten Halbjahr sollen 80 Prozent der Bevölkerung geimpft worden sein, bis Ende des Jahres alle Einwohner”, schreibt der FAZ-Korrespondent für Lateinamerika.
Anfang der Woche hat web.de (okay, es ist nicht die FAZ, wird aber sehr viel gelesen) erklärt, Warum kommt Chile so schnell voran? Und erläutert: “Würde in Deutschland in dem Tempo weiter geimpft, wie das derzeit der Fall ist, würde es grob überschlagen noch rund eineinhalb Jahre dauern, bis 80 Prozent der Menschen geimpft wären”. Im Gegenteil dazu: “Chiles Regierung hat tatsächlich als Ziel ausgegeben, bis Ende Juni 80 Prozent der Menschen im Land geimpft zu haben”. Also Herdenimmunität bis Mitte 2021? Im Gegensatz würde Deutschland die ersehnte Immunität erst 2022 erreichen.
Man kann sich fragen Was macht das Schwellenland anders? Ohne Zweifel gibt es mehrere Ursachen. Tjerk Brühwiller[1] präzisiert: “Der Erfolg Chiles bei der Beschaffung der Impfdosen wird nicht zuletzt auf die offene und globalisierte Wirtschaft des Landes mit zahlreichen Freihandelsabkommen zurückgeführt – für Chile erwies sich also just jenes Modell als Vorteil, das in den vergangenen Monaten unter Beschuss stand”.
Das ist das Gegenteil von Autarkie und Grenzschließungen. Die Offenheit Chiles hat die guten Ergebnisse ermöglicht. Und das im Gegensatz zu manchen lateinamerikanischen Nachbarländern, die überall in der Pharmaindustrie böse Kapitalisten im Dienste Bill Gates wittern und sogar glaubhaft machen wollen, dass sie eine eigene Impfung entwickelt haben[2]… oder, dass sie nur eine “nicht-westliche” Impfung, die nicht profitorientiert sein soll, akzeptieren würden.[3]
Schon vor zwei Wochen schrieb der argentinische Journalist Andrés Oppenheimer: “Es ist kein Zufall, dass Chile so viel mehr Impfstoffe erhalten konnte als seine lateinamerikanischen Nachbarn: Es ist mit Abstand das am stärksten globalisierte Land in der Region. Während mehrere populistische Führer Lateinamerikas gegen den freien Markt und die Globalisierung protestieren, hat Chile trotz wachsender innerstaatlicher Proteste gegen sein Wirtschaftsmodell sein weitgehend erfolgreiches Freihandelssystem beibehalten. Die internationalen Handelsbeziehungen Chiles oder zumindest die nach außen gerichtete Denkweise seiner Regierung haben dazu beigetragen, dass COVID-19-Impfstoffe viel schneller erhalten wurden als Mexiko, Argentinien oder Venezuela, dessen nach innen gerichtete Staats- und Regierungschefs die Außenwelt kaum kennen”.[4]
Auch schrieb Oppenheimer: “Chiles stellvertretender Handelsminister sagte mir, dass Chile mehr Impfstoffe kaufen könne, weil es früher als andere Länder bestellt habe. Dafür haben Chiles Freihandelsabkommen zweifellos geholfen. Das Land hat 29 wichtige Handelsabkommen, darunter mit den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, China, Vietnam und Australien. ‘Wir haben ein riesiges Netzwerk internationaler Kontakte’, sagte der Staatssekretär”[5] und erwähnt sogar seine internationale WhatsApp-Kontakte.
Chile ist das beste Beispiel, worauf es wirklich ankommt: Nicht auf Reichtum[6] oder die geographische Lage,[7] sondern auf die Offenheit und die Vernetzung. Die Globalisierung macht es möglich[8]. Davon könnten manche deutsche rechte und linke Gruppierungen oder sogar Parteien der Mitte etwas lernen.
[1] @tjerkbr
[2] Die kubanische Regierung beteuert, dass ihre Wissenschaftler eine Impfung entwickelt haben und produziert eine solche Impfung, die den pompösen und nationalistischen Namen “Vacuna Soberana” trägt.
[3] Weltweite Verwendung des Sputnik V-Impfstoffs Im Dunkelgrün fast alle lateinamerikanische Länder.
[4] There’s a good reason why Chile is winning COVID vaccine race —and Mexico and Venezuela are not
[5] Ebenda.
[6] Siehe Wie dieses Schwellenland zum Impf-Meister wurde
[7] Nicht ohne Grund wird Chile Finis Terrae genannt.
[8] Siehe auch meinen Artikel Cuba, Chile, la vacuna y la globalización